Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowing) – neue rechtliche Regelung und wichtige Pflichten
An 20.6.2023 wurde das lang erwartete Gesetz Nr. 171/2023 Slg. zum Schutz von Hinweisgebern (im Folgenden nur das „Gesetz“) in der Gesetzessammlung veröffentlicht. Die Tschechische Republik hat mit diesem Schritt die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und Rates vom 23.10.2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, in die tschechische Rechtsordnung abgeschlossen.
Inkrafttreten
Das Gesetz wird am 1.8.2023 in Kraft treten. Für eine ganze Reihe von Gesellschaften ist dieses Datum der Tag, an dem sie die durch das Gesetz geregelten Pflichten zu erfüllen haben, vornehmlich die Pflicht, einen internen Meldekanal einzuführen. Zur Erfüllung dieser Pflicht bleibt somit ein knapper Monat. Anderen Gesellschaften gibt das Gesetz in seinen Übergangsbestimmungen zwar ausreichend Zeit zur Einführung des internen Meldekanals, da aber die Gestaltung der komplexen Prozesse ohne Frage mit erheblichem Aufwand verbunden ist, ist es auch für sie an der Zeit, sich mit der Vorbereitung intensiv zu befassen.
Zweck
Gesetzeszweck ist der Schutz der Personen in arbeitsrechtlichen und anderen sinngemäßen Beziehungen, die auf die bestimmte Weise über die obligatorisch einzurichtenden internen, bzw. über externe Meldekanäle Sachverhalte melden, die darauf schließen lassen, dass sich jemand rechtswidrig verhalten hat. Diese sog. Hinweisgeber sind vor möglichen Repressalien seitens der Arbeitgeber und weiterer Personen zu schützen. Aus breiterer Sicht soll diese rechtliche Regelung allgemein zur Vorbeugung rechtswidrigen Verhaltens beitragen. Das Gesetz regelt für ausgewählte Arbeitgeber die Pflicht, interne Meldekanäle und Verfahren zur Meldung und Überprüfung, ob die Meldung gerechtfertigt ist, einzuführen. Die Verpflichteten haben so die Möglichkeit, über einen internen Meldekanal von rechtswidrigen Handlungen zu erfahren und diese zu lösen. Die Nichterfüllung der durch dieses Gesetz bestimmten Pflichten kann neben Sanktionen die Meldung eines möglichen rechtswidrigen Handelns über einen externen Meldekanal des tschechischen Justizministeriums mit allen damit verbundenen negativen Folgen nach sich ziehen.
Pflicht, einen internen Meldekanal einzuführen
- Verpflichtete mit mehr als 249 Arbeitnehmern haben einen internen Meldekanal bis zum 1.8.2023 einzuführen.
- Verpflichtete mit 50 bis 249 Arbeitnehmern haben einen internen Meldekanal bis zum 15.12.2023 einzuführen.
Wer, was, wie?
Hinweisgeber sind natürliche Personen, die nach den Bedingungen des Gesetzes Meldung erstattet haben. Diese können insbesondere Arbeitnehmer, Geschäftspartner, Mitglieder der Organe juristischer Personen, Bewerber, Praktikanten usw. sein. Eine Meldung ist eine Information über ein mögliches rechtswidriges Handeln, zu dem es bei einer Person gekommen ist oder kommen soll, für die der Hinweisgeber, auch wenn nur indirekt, Arbeit oder eine andere sinngemäße Tätigkeit verrichtet hat oder verrichtet, oder bei einer Person, mit welcher der Hinweisgeber im Zusammenhang mit der Verrichtung von Arbeit oder einer anderen sinngemäßen Tätigkeit in Kontakt gestanden hat oder steht.
Rechtswidriges Handeln ist ein Handeln, das (i) Merkmale einer Straftat aufweist, (ii) Merkmale einer Zuwiderhandlung aufweist, für die das Gesetz eine Geldbuße mit einer Obergrenze von mindestens 100 000 CZK vorsieht, (iii) das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern verletzt, oder (iv) eine andere Rechtsvorschrift oder EU-Vorschrift in den aufgezählten spezifischen Bereichen verletzt.
Als Repressalien behandelt das Gesetz eine Handlung oder deren Unterlassung im Zusammenhang mit der Arbeit oder einer anderen sinngemäßen Tätigkeit des Hinweisgebers, die durch eine Meldung ausgelöst wurde und die dem Hinweisgeber oder den weiteren bestimmten Personen einen Schaden zufügen kann; eine Repressalie ist also konkret z. B. die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses (Kündigung usw.), Lohnkürzung, Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses, Auflösung der Vereinbarung über die Arbeitstätigkeit oder der Vereinbarung über die Durchführung von Arbeit, Änderung der Arbeitszeit, Kündigung oder der Vertragsrücktritt.
Pflichten des Verpflichteten
Nachstehend fassen wir die wichtigsten Pflichten des Verpflichteten zusammen:
- Einführen eines internen Meldekanals
- Bestimmen einer zuständigen Person oder der zuständigen Personen zur Entgegennahme von Meldungen und zur Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit und zu weiteren damit verbundenen Tätigkeiten (diese Person schlägt dem Verpflichteten Abhilfemaßnahmen oder Maßnahmen zur Vorbeugung rechtswidriger Handlungen vor, erfüllt die Weisungen des Verpflichteten)
- Verhindern, dass der Hinweisgeber oder die im Gesetz genannten Personen Repressalien ausgesetzt werden
- Sicherstellen der Möglichkeit des Hinweisgebers, über den internen Meldekanal schriftlich oder mündlich Meldung zu erstatten oder auf seine Bitte auch persönlich (von einigen Personen, die für den Verpflichteten keine Arbeit oder andere sinngemäße Tätigkeit verrichten, kann er die Entgegennahme von Meldungen ausschließen)
- Sicherstellen der Veröffentlichung der nachstehenden Informationen auf den Fernzugang ermöglichende Weise:
- über die Arten der Meldungen über den internen Meldekanal und an das Ministerium,
- Bezeichnung der zuständigen Person, ihre Telefonnummer und E-Mailadresse oder andere Zustellungsadresse,
- ob der Verpflichtete die Entgegennahme von Meldungen von dem Personenkreis, bei dem das Gesetz dies ermöglicht, ausschließt.
- Sicherstellen der Belehrung der zuständigen Person über die für sie aus dem Gesetz resultierenden Rechte und Pflichten und Ausfertigung eines Vermerks
- Sicherstellen, dass sich mit den erstatteten Meldungen nur die zuständige Person bekannt machen kann, und dass das Verbot geachtet wird, keine Angaben zu gewähren, die den Zweck der Meldung vereiteln oder gefährden könnten
- Sicherstellen der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Meldung durch die zuständige Person
- Sicherstellen der Information an den Hinweisgeber über die Entgegennahme der Meldung und die Ergebnisse der Beurteilung deren Rechtmäßigkeit
- Sicherstellen des Ergreifens geeigneter Abhilfemaßnahmen oder Maßnahmen zur Vorbeugung rechtswidriger Handlungen in Anbindung an die eingegangene Meldung
- Nichtbestrafen der zuständigen Person für die ordentliche Ausübung ihrer Tätigkeit
Ermächtigung Dritter, gemeinsame Systemnutzung
Für Verpflichtete regelt das Gesetz ausdrücklich die Möglichkeit, einen Dritten mit der Leitung des internen Meldekanals zu beauftragen. Diese Beauftragung entbindet die Verpflichteten jedoch nicht von der Haftung für die Erfüllung der Pflichten im Zusammenhang mit der Einhaltung der gesetzlich geregelten Bedingungen für die Schaffung und Arbeitsweise des internen Meldekanals.
Mit Ausnahme öffentlicher Auftraggeber, die zum 1. Januar des jeweiligen Kalenderjahres maximal 249 Arbeitnehmer beschäftigt haben, können Verpflichtete den internen Meldekanal teilen oder den von einem anderen Verpflichteten geschaffenen internen Meldekanal nutzen, wenn sie eine zur Erfüllung der durch das Gesetz geregelten Aufgaben zuständige Person bestimmt.
Strafen
Für die Nichteinhaltung der gesetzlich geregelten Pflichten können Geldbußen bis in Höhe von 1 000 000 CZK verhängt werden.
Für das Erstatten einer vorsätzlich unwahren Meldung kann eine Geldbuße bis in Höhe von 50 000 CZK verhängt werden.
Für weitere Fragen und Beratungen zur Gestaltung des Meldekanals stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Team der WTS Alfery, Alfery Hrdina Advokáti